Persönlich: Thilo Krichbaum aus Raidelbach fährt mit historischen Rennwagen bei internationalen Wettbewerben ganz vorne mit.
Raidelbach. „Geschwindigkeit war schon immer meins.“ Thilo Krichbaum hat beim Autorennen sein Hobby gefunden und ist inzwischen auch
erfolgreich damit. In diesem Jahr hat er in der Jahresgesamt-wertung in seiner Klasse im Histo-Cup in der Formel Historic das Siegertreppchen bis auf den Ersten Platz erklommen.
Der Histo-Cup ist eine Rennserie für den historischen Motorsport. Hier wird auf Rennstrecken mit historischen Formel-Fahrzeugen, besonders Formel 3, gefahren. Ausrichter ist eine österreichische
Marketing- und Eventagentur, die sich den historischen Rennfahrzeugen verschrieben hat. 1997 wurde der Histo-Cup gegründet. In diesem Jahr beteiligten sich bis zu 30 Fahrer aus ganz Europa in der
Sparte „Formel Historic“ an den Rennen.
„Die Rennen fanden an sechs Wochenenden statt“, berichtete Thilo Krichbaum. Sie starteten mit der Qualifikation, und einen Tag später war das eigentliche Rennen.
Gefahren wurde auf Rennstrecken in Ungarn, Kroatien, der Slowakei, in Tschechien und in Österreich.
Die ersten Runden drehte er um den heimischen Stall
Ihren Anfang nahm die Geschichte im Sommer 2020. Damals fragte der mehrfache deutsche Meister beim Bergrennen, Horst Fendrich aus Mörlenbach, Thilo Krichbaum, ob er sein altes Renncart auf dessen Hof
in Raidelbach unterstellen kann. Thilo Krichbaum erhielt die Erlaubnis, es auch zu fahren. „Da habe ich meine ersten Runden um den Kuhstall gedreht“, schmunzelt er. „Das hat richtig Spaß
gemacht.“
Der 40-jährige erzählt, dass er sich zuvor kein Hobby gegönnt hat. Seine Zeit war ausgefüllt mit Ausbildung, Familie und dem Aufbau der Selbstständigkeit als Landwirt. „Mit 16 habe ich mit dem Fußballspiel aufgehört, und auch die Tätigkeit in der Feuerwehr hatte ich eingestellt.“ Dann kam das alte Renncart auf den Hof, und eine Leidenschaft entflammte.
Rationell gedacht war es unvernünftig. Ein Hobby im Motorsport kostet Zeit und Geld. So trug Thilo Krichbaum diesen Gedanken eine Zeit lang mit sich herum, bevor er bei einem Gespräch mit seiner Frau „grünes Licht“ dafür bekam.
Ohne Hintergrundwissen kaufte Thilo Krichbaum im Dezember 2020 sein erstes Formel-Fahrzeug, einen Renault aus dem Jahr 1998. Die Sicherheitsausstattungen entsprachen dem Baujahr. Um Rennen fahren zu können, braucht man eine Rennlizenz. Die erhielt Thilo Krichbaum im Frühjahr 2021. Im Mai des gleichen Jahres packte er seine Formel-Fahrzeug in den Viehanhänger und fuhr nach Südfrankreich zu einem Testtag. „Das hat einen Riesen-Spaß gemacht.“
Das erste Rennen endete mit einem Reifenschaden
Es folgte im September das erste Rennwochenende im Histo-Cup in Salzburg, auf dem Salzburg-Ring. „Erfahrung hatte ich keine, dafür wurde das Fahrzeug wieder in den Viehanhänger gepackt und zwei Freunde kamen mit.“ Sein erstes Rennen endete mit einem Crash: Ein Reifen war dahin. Davon ließ sich der Raidelbacher aber nicht abschrecken. Im nächsten Monat war er in Brünn wieder dabei.
Thilo Krichbaum lernte schnell. Nicht nur das Fahren selbst, sondern auch den Umgang mit dem Fahrzeug. 2022 nahm er an fünf Rennen teil. 2023 verkaufte er sein erstes Fahrzeug. Nun kam ein „echter Fromel-3-Rennwagen“ nach Raidelbach. Es war eine Dallara, Baujahr 1994. Mit ihm holte Thilo Krichbaum im Oktober 2023 den ersten Sieg in der Formel Historic. Im Lauf des Jahres hatte er einige weitere Podestplätze.
Eine Steigerung gab es 2024. Thilo Krichbaum fuhr an allen sieben Wochenenden mit, holte einige Siege und stieg auf Platz zwei in der Jahresgesamtwertung auf.
Dieses Jahr nahm Thilo Krichbaum wieder an den Rennen teil. Für die Anreise zu den Rennstrecken nutzt er inzwischen einen LKW, der mit Anhänger über 18 Meter lang ist. Im vorderen Teil ist ein bequemer Wohnraum. Im Anhänger sind die zwei historischen Formelfahrzeuge, Ersatzreifen und Werkzeug.
„Die Ausflüge zu den Rennstrecken sind für mich wie ein Kurzurlaub“, erzählt Thilo Krichbaum. Seine Frau Katharina ist auch dabei, sie hat inzwischen auch den Lkw-Führerschein. Unterstützt wird Thilo Krichbaum von seinen Freunden, dem Kfz-Meister Sascha Böhme und Christopher Bickelhaupt. Start ist in aller Regel am Donnerstag; Sonntags geht es zurück. „Am Montagfrüh stehe ich dann wieder im Kuhstall.“
Mit über 150 Kilometer pro Stunde unterwegs
Das Üben mit einem Formel-3-Rennwagen ist nicht einfach. Die Autos sind nicht für den Straßenverkehr gemacht. Das Üben auf Rennstrecken kostet Geld. Deshalb sind Rennen die beste Möglichkeit zum Üben, und die Gespräche mit den anderen Rennfahrern helfen ebenfalls weiter.
„Diese Autos sind für Geschwindigkeit gemacht“, erzählt Thilo Krichbaum. Schon beim Anfahren im ersten Gang hat das Fahrzeug in Nullkommanichts 70 Kilometer pro Stunde gefahren, auf geraden Strecken können es auch mal 250 werden. Die Rennen zur Qualifikation dauern 25 Minuten; die Rennen selbst ebenfalls 25 Minuten. In der Formel 3 werden historische Formel-Fahrzeuge gefahren, die aus der Zeit vor dem Jahr 2001 stammen müssen.
Für Thilo Krichbaum ist das Fahren in der Formel 3 ein Hobby, das ihm viel Freude bereitet und ihn auf andere Gedanken bringt. „Das ist faszinierend und beschert ein Freiheitsgefühl.“ Der Spaß zeigt sich auch bei seinem Lkw, der den Titel „Q-Racing“ trägt. „Das ist abgeleitet von dem Vieh-(Kuh-)Transporter, den wir zu Beginn nutzten.“
Thilo Krichbaum ist Mitglied in der Interessengemeinschaft Motorsport Schlierbachtal. Vereinsmitglieder besuchten ihn nach seinem Gesamtsieg überraschend. „Thilo zeigte eine beeindruckende Leistung auf internationalem Parkett“, so der Verein in einer Mitteilung.
Quelle: Bergsträßer Anzeiger vom 22. November 2025
© Jutta Haas